Neben den Freiräumen zum Flanieren und Schreiben, für Eigensinniges und Eigenbrötlerisches der "Stadtschreiberei" lädt die Woche auch ein zum intellektuellen Austausch: "Berlin | Blicke" bietet auch in diesem Jahr ein morgendliches "Bildungsprogramm" mit Vorträgen und Übungen, darunter in diesem Jahr auch ein Besuch in der Gemäldegalerie und in einem Atelier. Ansatzpunkt für die Annäherung an die Stadt ist in diesem Sommer der Begriff der Stadtlandschaft.
Was kann der Begriff der Stadtlandschaft im Umgang mit der Stadt austragen? Ist die Stadt „Umgebung“ und Lebensraum, wie die „ländliche“ Landschaft? Was gibt es zu „schauen“ und was verspricht der schweifende Blick in der Stadt? Wohin zielt die Landschaft* in der Seele, und was daran finden wir in der Stadt? Im Programm der Woche finden sich verschiedene Versuche, das Schauen auf die Stadt in die Dimension des Landschaftlichen zu lenken: kunstgeschichtliche und künstlerische, architektonische und philosophisch-kulturelle; und es gibt natürlich viel Raum, sich sein Bild selbst zu machen in den Spaziergängen und Erkundungen.
Wer das möchte, kann sich an einem gemeinsamen „Projekt“ beteiligen: Aussichtspunkte und Sichtachsen wollen wir finden in der Stadt, und Orte, die eben einen eigenen, besonderen Blick ermöglichen. Markiert in einem „Stadtplan“ beginnen wir mit der Sammlung von kleinen Texten, die solche Orte in der Stadt zu beschreiben, zu zeigen oder zu fassen versuchen ...
*Der Begriff Landschaft ist nicht neu und steht schon im Althochdeutschen in semantischer Alternative zum Begriff Land. Während letzterer als Begriff der Ordnung, auch als ein politischer Begriff gebraucht wird, wird Landschaft traditionell weitgehend ohne politisch-strukturierende Implikationen verwendet. Bis in der Hochzeit der Franken die die Landschaften bezeichnenden Namen auch vielfach als Bezeichnungen der Grafschaften und Ländereien genutzt wurden und so ihre „politische Unschuld“ verloren, blieb der Begriff der Landschaft von einer strukturierenden Funktion entkoppelt. Dass der „alte Wortgebrauch“ im Wortfeld von „Gegend“ und „Umgebung“ zu suchen ist, dass man ihn später aus der Alltagserfahrung der einfachen Bevölkerung nach der Völkerwanderung abzuleiten suchte (Landschaft = der menschliche Erfahrungsraum, der nicht bereist wird = der weniger als die Strecke von 1-2 Tagesreisen vom zentralen Lebensort entfernt).
In dieser Lesart passt der allgemeinverständliche Begriff von „Landschaft“ auch zu den frühen „fachsprachlichen“ Entwicklungen in der Geographie, wo H.G. Hommeyer 1805 von der Summe aller, eine Gegend zunächst umgebenden, Gegenden spricht und auch von einem Bezirk aller von einem sehr hohen Standpunkt überschauten Flächen. Carl Ritter, erster geographischer Lehrstuhlinhaber der Welt – 1820 in Berlin – nennt Landschaften (wie Kontinente) deshalb auch die großen Individuen der Welt. Und der Psychologe W. Hellpach schildert in seinem Werk Geopsyche (1939) als sinnlichen Gesamteindruck, „der von einem Abschnitt der Erdoberfläche samt dem darüber befindlichen Abschnitt des Himmels im Mensch erweckt wird“.
aus dem Programm:
Sonntag, 19. August 2012
Anreise bis 18 Uhr
19 Uhr Abendessen
20.00 Uhr Begrüßung und Einführung ins Thema »Stadtlandschaften«
22.15 Uhr Spätvorstellung (optionales Kino am Abend)
Montag, 20. August 2012
9.30 Uhr Der Begriff der Landschaft
Vom Schauen der Fülle und der Fragmente
10.30 Uhr Lesestunde
Raymond Williams,
The Country and the City (1973)
14 Uhr Einführung in die praktische Arbeit
20.15 Uhr Lesung und Gespräch
mit
Bettina Klix, Autor aus Berlin
22.15 Uhr Spätvorstellung*:
Der Kontrakt des Zeichners, Peter Greenaway, GB, 103 min 1982.
Programm als pdf-Datei
Anmeldungen bis zum 10 August 2012 an redaktion@fuge-journal.de.