erschien am 20. September 2010
Bilder des Anfangs jenes Heils, in das wir immer schon hineingestellt sind, erscheinen uns spontan zu fern und in ihrer schauderhaften Würde zu groß. Und angesichts des grassierenden Hochmuts, sich das seelische Heil durch Glücksübungen exotischer Art ergrapschen zu wollen, wirkt die Ehrfurcht und Negativität der Wenigen prima facie reif, klug, zurückhaltend. Doch birgt unsere täuschend echte Sensibilität, die wir uns als bescheiden tuende Intellektuelle anzuheften geneigt sind, ein Laster der anderen Art: eine Frivolität, die aus dem Stoff der Angst gemacht ist, in den Augen Anderer frivol wirken zu können. Das wollen wir um keinen Preis. Deshalb reduzieren wir uns lieber weiter auf ein entschiedenes Nein, bevor wir uns in die peinliche Lage begeben, bekennen zu müssen, was wir wirklich lieben. Wenn wir uns dagegen einmal dazu durchringen, etwas zu bejahen, dann pflegen wir einen beschwichtigenden Jargon: Bis tief hinein ins christliche Milieu hat sich eine transzendenzferne Sprache ausgeprägt, die sich allem verschließt, was über eine negative, in sich selbst kreisende, sich selbst genügende Kulturkritik hinauswill und dem Nörgler eine eigene Veränderung abverlangt.
Wer sich mit kulturkritischem Lamentieren nicht begnügt, sondern – bis hinein in die Negation – seine Liebe zu den Dingen bekennt und selber einen Anfang setzt, der sei jedoch gewarnt: Nach weltlichem Maß ist jedes Gründer-Ich ein potentielles Unterdrücker-Ich.
Abbildung: Sandro Botticelli, Christus am Ölberg, um 1500, Granada, Capilla Real (Rechte: bpk / Alfredo Dagli Orti).
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